Die Digitalisierung hat in Beratungsstellen Einzug gehalten – von der Online-Terminvereinbarung über digitale Aktenführung bis hin zu Videosprechstunden. Mit diesem digitalen Wandel entstehen jedoch auch neue Risiken. Beratungsstellen arbeiten mit hochsensiblen personenbezogenen Daten, die besonderen Schutz erfordern und gleichzeitig für Cyberkriminelle von hohem Wert sein können. Diese Kombination macht sie zunehmend zum Ziel von Cyberangriffen.
Die Bedrohungslage hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschärft. Laut dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist die Zahl der Cyberangriffe auf Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens seit 2019 um mehr als 600% gestiegen. Besonders beunruhigend ist, dass zunehmend auch kleinere Einrichtungen ins Visier geraten, die traditionell weniger in IT-Sicherheit investieren konnten. Die Täter haben erkannt, dass hier oft leichter angreifbare Systeme mit wertvollen Daten zu finden sind.
Dabei sind die Auswirkungen eines erfolgreichen Angriffs für Beratungsstellen besonders gravierend. Neben finanziellen Schäden und Betriebsunterbrechungen steht vor allem der Vertrauensverlust im Vordergrund. Wenn sensible Klientendaten in falsche Hände geraten oder Beratungsdienste aufgrund von IT-Ausfällen nicht erbracht werden können, ist der Vertrauensbruch oft kaum zu reparieren. Gerade in Bereichen wie der Sucht-, Schulden- oder psychosozialen Beratung, wo Vertraulichkeit das A und O ist, kann dies existenzbedrohend sein.
Gleichzeitig verfügen viele Beratungsstellen weder über die personellen noch finanziellen Ressourcen für umfassende Cybersicherheitsmaßnahmen. IT-Sicherheitsexperten sind rar und teuer, komplexe Sicherheitssysteme oft kostspielig in der Anschaffung und Wartung. Dennoch können auch mit begrenzten Mitteln wirksame Schutzmaßnahmen implementiert werden – vorausgesetzt, sie werden strategisch klug ausgewählt und konsequent umgesetzt.
Dieser Beitrag beleuchtet die spezifischen Cyberrisiken für Beratungsstellen und zeigt praxisnahe Schutzstrategien auf, die auch mit begrenzten Ressourcen umsetzbar sind.
Zentrale Cybersicherheitsrisiken für Beratungsstellen
Die Bedrohungslandschaft für Beratungsstellen umfasst verschiedene Angriffsformen und Schwachstellen:
1. Ransomware und gezielte Erpressungsangriffe
Ransomware-Angriffe stellen mittlerweile eine der größten Bedrohungen dar:
- Verschlüsselung kritischer Beratungsdaten und Forderung von Lösegeld für die Entschlüsselung
- Doppelte Erpressung durch zusätzliche Drohung, sensible Klienten Daten zu veröffentlichen
- Gezielte Angriffe auf Sicherheitslücken in veralteter Software oder ungeschützten Systemen
- Ausnutzung von Remote-Zugängen, die während der Pandemie oft hastig eingerichtet wurden
- Infektionswege über E-Mail-Anhänge oder manipulierte Websites
Das BSI berichtet, dass 2022 mehr als 30% der erfolgreichen Ransomware-Angriffe auf soziale Einrichtungen und kleine Organisationen entfielen – ein deutlicher Anstieg gegenüber den Vorjahren. Die durchschnittliche Ausfallzeit nach einem erfolgreichen Angriff betrug dabei 18 Tage – für Beratungsstellen mit vulnerablen Klientengruppen eine kaum verkraftbare Unterbrechung.
2. Social Engineering und Phishing
Die menschliche Komponente bleibt die größte Schwachstelle in der Cybersicherheit:
- Gezielte Phishing-Mails, die an Mitarbeitende in Beratungsstellen angepasst sind
- Spear-Phishing mit Bezug auf aktuelle Förderanträge, Behördenkommunikation oder Fachthemen
- Vortäuschen von Identitäten (z.B. von Vorgesetzten, Kooperationspartnern oder Behörden)
- Ausnutzung von Hilfsbereitschaft und Stress in arbeitsintensiven Phasen
- Telefonische Täuschungsversuche (Voice Phishing), die auf Informationsgewinnung abzielen
Eine Umfrage der Allianz für Cybersicherheit zeigt, dass 76% der erfolgreichen Cyberangriffe auf soziale Einrichtungen mit Social Engineering begannen – ein deutlich höherer Anteil als in anderen Branchen. Die besondere Hilfsbereitschaft und der offene Kommunikationsstil in Beratungseinrichtungen machen sie anfälliger für solche manipulativen Angriffe.
Praktische Schutzstrategien mit begrenzten Ressourcen
Auch mit begrenztem Budget können Beratungsstellen wirksame Cybersicherheitsmaßnahmen umsetzen:
Mitarbeitende sensibilisieren und schulen: Der Mensch als Sicherheitsfaktor
Das Sicherheitsbewusstsein der Mitarbeitenden ist die kostengünstigste und oft wirksamste Schutzmaßnahme:
- Regelmäßige Basis-Schulungen zu typischen Angriffsszenarien und Erkennungsmerkmalen
- Phishing-Simulationen als praktisches Lernwerkzeug ohne Beschämung der Teilnehmenden
- Klare Meldewege für verdächtige E-Mails oder Sicherheitsvorfälle
- Sicherheitsrichtlinien in verständlicher Sprache mit konkreten Handlungsanweisungen
- Führungskräfte als Vorbilder für sicherheitsbewusstes Verhalten
Studien zeigen, dass bereits einfache Sensibilisierungsmaßnahmen die Erfolgsquote von Phishing-Angriffen um bis zu 70% reduzieren können. Besonders wichtig ist dabei eine Fehlerkultur, die zum Melden von Vorfällen ermutigt, statt Angst vor Sanktionen zu schüren.
Grundlegende technische Schutzmaßnahmen implementieren
Einige technische Basismaßnahmen bieten ein besonders gutes Verhältnis von Aufwand zu Schutzwirkung:
- Konsequente Umsetzung des Prinzips der geringsten Berechtigung (Least Privilege)
- Mehrstufige Authentifizierung (MFA) für alle Zugänge zu sensiblen Systemen
- Regelmäßige und automatisierte Backups nach dem 3-2-1-Prinzip (3 Kopien auf 2 verschiedenen Medientypen, 1 davon offline)
- Aktuelle Antivirensoftware und Firewalls mit automatischen Updates
- Regelmäßige Sicherheitsupdates für alle Systeme und Anwendungen
- Verschlüsselung sensibler Daten sowohl bei der Übertragung als auch bei der Speicherung
Das BSI schätzt, dass diese Basismaßnahmen bereits etwa 80% der gängigen Cyberangriffe abwehren können. Besonders die Kombination aus MFA und konsequentem Patch-Management verhindert einen Großteil der erfolgreichen Ransomware-Angriffe.
Potenziale eines strategischen Cybersicherheitsmanagements
Ein systematischer Ansatz zur Cybersicherheit bietet für Beratungsstellen verschiedene Vorteile:
Vertrauensgewinn und rechtliche Compliance
Cybersicherheit unterstützt die Vertrauensbeziehung zu Klienten und erfüllt rechtliche Anforderungen:
- Einhaltung der DSGVO-Vorgaben zur Sicherheit der Verarbeitung (Art. 32)
- Erfüllung bereichsspezifischer Vorgaben zum Schutz von Sozialdaten oder Gesundheitsdaten
- Vertrauensbildung durch nachweisbare Sicherheitsmaßnahmen
- Vermeidung von Bußgeldern und Haftungsrisiken bei Datenschutzverletzungen
- Einhaltung von Anforderungen in Leistungsvereinbarungen mit öffentlichen Trägern
Beratungsstellen, die proaktiv in Cybersicherheit investieren und dies transparent kommunizieren, können dies als Qualitätsmerkmal nutzen und das Vertrauen ihrer Klienten und Kooperationspartner stärken.
Kosteneffizienz durch Prävention
Vorbeugende Maßnahmen sind deutlich kostengünstiger als die Behebung von Schäden:
- Vermeidung direkter Kosten für Systemwiederherstellung und IT-Forensik
- Schutz vor Betriebsunterbrechungen und damit verbundenen Einnahmeausfällen
- Verhinderung von Reputationsschäden mit langfristigen Folgekosten
- Reduzierung von Versicherungsprämien für Cyber-Haftpflichtversicherungen
- Effizienter Mitteleinsatz durch risikobasierte Priorisierung von Schutzmaßnahmen
Laut einer Studie der Ponemon Institute betragen die durchschnittlichen Kosten eines Datenschutzvorfalls für kleine Organisationen etwa 108.000 Euro – ein Vielfaches der Kosten für präventive Sicherheitsmaßnahmen.
Ausblick: Entwicklungen in der Cybersicherheitslandschaft
Die Bedrohungslandschaft entwickelt sich kontinuierlich weiter, ebenso wie die Schutzmöglichkeiten:
- Die NIS2-Richtlinie der EU wird den Kreis der zur Cybersicherheit verpflichteten Einrichtungen erweitern und könnte zukünftig auch größere soziale Träger einschließen
- Cybersicherheits-Förderprogramme für kleine und mittlere Organisationen werden auf Bundes- und Landesebene ausgebaut
- Cloud-Security-Lösungen werden erschwinglicher und einfacher implementierbar
- Branchenspezifische Sicherheitsstandards für soziale Einrichtungen entwickeln sich
- Kollaborative Sicherheitsansätze wie Informationsaustausch über Bedrohungen gewinnen an Bedeutung
Für Beratungsstellen bedeutet dies, dass sie ihre Cybersicherheitsmaßnahmen kontinuierlich weiterentwickeln sollten, dabei aber zunehmend auf spezifische Unterstützungsangebote und angepasste Lösungen zurückgreifen können.
Fazit: Cybersicherheit als Teil des Beratungsauftrags
Für Beratungsstellen ist der Schutz sensibler Klientendaten nicht nur eine technische oder rechtliche Notwendigkeit, sondern unmittelbar mit ihrem Kernauftrag verbunden. Vertraulichkeit und Vertrauensschutz sind fundamentale ethische Prinzipien der Beratungsarbeit – unabhängig davon, ob diese digital oder analog stattfindet.
Der Weg zu mehr Cybersicherheit muss dabei nicht kompliziert oder kostspielig sein. Mit einem risikobasierten Ansatz, der die wichtigsten Schwachstellen und wertvollsten Daten identifiziert, können auch mit begrenzten Ressourcen wirksame Schutzmaßnahmen umgesetzt werden. Entscheidend ist ein systematisches Vorgehen, das sowohl menschliche als auch technische Faktoren berücksichtigt und Cybersicherheit als kontinuierlichen Prozess versteht.
Langfristig zahlt sich die Investition in Cybersicherheit mehrfach aus: durch verhinderte Angriffe, durch rechtliche Compliance, durch gestärktes Vertrauen und nicht zuletzt durch die Gewissheit, dem eigenen ethischen Anspruch an Vertraulichkeit auch im digitalen Raum gerecht zu werden.
Wenn Sie als Beratungsstelle Interesse an einem fachlichen Austausch zu praxisnahen Cybersicherheitslösungen haben, können Sie gerne mit uns in Kontakt treten. Wir teilen unser Wissen und Erfahrungen und freuen uns auf den Dialog über einen sicheren digitalen Beratungsalltag.